Stadttauben
Von der Felswand in die Stadt
Stadttauben stammen von verwilderten oder ausgesetzten Haustauben ab, die wiederum aus der Felsentaube gezüchtet wurden. Felsentauben leben beispielsweise im Mittelmeeraum, aber auch an felsigen Küsten Nordeuropas. Die Häuserschluchten unserer Städte bieten den ehemaligen Felsbewohnern ideale Ersatzlebensräume. Hinzu kommen geringer Raubdruck durch Greifvögel und ein reiches Nahrungsangebot. Straßentauben brüten das ganze Jahr ohne eine abgegrenzte Brutsaison. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich die Tauben stark vermehrt und ausgebreitet – heute besiedeln sie die meisten größeren Städte weltweit. Die Straßentaube ist zum Massentier geworden ist – Konflikte mit dem Menschen sind vorprogrammiert.
Probleme durch Stadttauben
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Verschmutzungen und Gebäudeschäden. Taubenkot führt zu starken Verunreinigungen an Gebäuden und Denkmälern – eine Taube erzeugt pro Jahr rund 12 kg Nasskot. Durch den mikrobiellen Abbau des Taubenkots entstehen Säuren, die kalkhaltiges Gestein angreifen. Der Taubenkot ist zusätzlich Nährboden für eine Reihe von Mikropilzen, die ebenfalls kalkhaltige Materialen schädigen können. Auch Stahl-, Kupfer- und Bronzebleche werden durch Taubenkot angegriffen. |
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Krankheiten und Parasiten. Auch wenn Stadttauben nicht stärker mit Krankheiten belastet sind als andere Wildvögel, können sie Krankheiten auf den Menschen übertragen. Problematisch sind vor allem Ornithose und Kryptokokkenmeningitis, deren Erreger durch Einatmen von belastetem Kotstaub aufgenommen werden. Stadttauben sind außerdem Träger einer Reihe von Parasiten, von denen einige auch den Menschen befallen (zB Taubenzecke, Rote Blutmilbe). |
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„Lärmbelästigung“ durch das Gurren und Flattern der Tiere. Lärmempfindliche Menschen fühlen sich durch Tauben gestört. |
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Überbevölkerung als Tierschutzproblem. Das übernatürlich große Nahrungsangebot im Siedlungsgebiet führt zu überhöhten Populationsdichten bei den Straßentauben. Dadurch treten vermehrt Krankheiten und Parasitenbefall auf. Zudem nehmen Aggressivität und territoriale Konflikte unter den Tauben zu. |
Maßnahmen zur Reduktion der Taubenpopulation
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Tauben nicht füttern. In einer Stadt leben so viele Tauben, wie das Nahrungsangebot erlaubt. Nur eine Reduktion des Futterangebots kann die Taubenpopulationen dauerhaft und wirksam beschränken. Vielerorts ist das Füttern verboten, was allerdings oft ignoriert wird. Eine einseitige Ernährung ist mitverantwortlich am schlechten Gesundheitszustand der Stadttauben. Außerdem führt unkontrolliertes Füttern zu einer „Slumsituation“ unter den Tieren mit Dichtestress, Krankheiten und Parasiten. Wird das Füttern unterlassen, müssen die Tauben ihre Nahrung selbst suchen und wie unter natürlichen Bedingungen mehr Zeit und Energie für die Futtersuche anstatt für die Fortpflanzung aufwenden. |
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Taubenhäuser. Gut gepflegte öffentliche Taubenschläge helfen wirksam, das Taubenproblem in den Griff zu bekommen. Die Tauben nutzen die Schläge als Schlaf- und Brutplätze. Dies verringert die Verschmutzung von Gebäuden. Nehmen die Bestände zu stark zu, können die befruchteten Eier aus den Nestern genommen und durch Gipseier ersetzt werden, um den Taubenbestand zu regulieren. Spezielle Fütterungszonen zur Begegnung Mensch-Taube können erhalten bleiben, insgesamt sollte das Futterangebot aber reduziert werden. |
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Verringerung des Brutplatzangebotes. Simse und Flächen sind für Tauben als Brutplätze unattraktiv, wenn sie schmaler als 10 cm oder über 45° geneigt sind. Lokale Maßnahmen, um Taubenbruten zu verhindern, sind die Vergitterung von Gebäuden, das Anbringen von straff gespannten Netzen, in denen sich die Tiere nicht verfangen können (Fadenstärke mindestens 1 mm, Maschenweite höchstens 30 mm, nicht grün oder schwarz), oder Spikes-Systeme mit Metall- oder Kunststoffelementen, die das Gefieder nicht durchstoßen können. Bei der Vergitterung von Gebäuden ist zu berücksichtigen, dass diese auch negative Auswirkungen auf eine Reihe gefährdeter Tierarten (zB Fledermäuse) haben kann (=> mehr zum Thema Fledermausschutz). An Schlafplätzen von Taubenschwärmen können gut sichtbare Nylonschnüre oder Drähte gespannt werden, um den Aufenthalt der Tiere und die damit verbundene Verschmutzung zu verhindern. Das eigentliche Problem wird damit nicht gelöst, die Vögel weichen auf andere Stellen aus. Wichtig ist, dass bei all diesen Maßnahmen keine Verletzungsgefahr für Tauben und andere Tiere besteht. Nicht geeignet sind Abwehrsysteme mit scharfen Nadeln, Spitzen oder Kanten, Elektrosysteme mit hohen Spannungen, Vergrämungspasten, die das Gefieder der Tauben dauerhaft verunreinigen, sowie ätzende und reizende Substanzen. Eine Vertreibung der Tauben mittels optischer oder akustischer Vorrichtungen sowie durch Gerüche hat – wenn überhaupt – nur kurzfristig Erfolg, da sich die Tiere meist sehr schnell daran gewöhnen. |
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Fang- und Tötungsaktionen. Ein Abschießen oder Fangen der Tauben ist nicht einfach und sehr aufwändig. Die Tauben lernen schnell, den Gefahren zu entgehen, was den Erfolg schmälert. Hinzu kommt, dass die Nestlinge der getöteten Tauben unweigerlich verhungern. Das Ausstreuen von vergiftetem Futter ist auf jeden Fall abzulehnen, da nie ausgeschlossen werden kann, dass die Stoffe von anderen Tieren oder sogar spielenden Kleinkindern aufgenommen werden. Durch Tötungsaktionen werden Taubenbestände nicht nachhaltig reduziert, da vermehrt Jungtiere heranwachsen und den Verlust kompensieren. Das Töten von Tauben bringt somit keine Lösung des Problems. |
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Beeinflussung der Fortpflanzung. Der Einsatz von Chemosterilantien hat sich nicht bewährt. Es ist schwierig, freilebenden Tieren die Wirksubstanz in der richtigen Dosis zu verabreichen, und die Präparate sind teuer. Dominante Tiere setzen sich an der Futterstelle gegenüber Schwächeren durch und nehmen daher zuviel des Wirkstoffes auf. Bei einer Überdosis sterben sie qualvoll. Präparate auf Hormonbasis (Taubenpille) haben keine unerwünschten Nebenwirkungen. Allerdings sind auch sie schwierig zu dosieren und der Einsatz ist für den eher geringen Erfolg mit einem unverhältnismäßig großem Aufwand verbunden. |
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Natürliche Feinde. Auch im Stadtgebiet werden Tauben durch Greifvögel (Wanderfalke, Sperber, Habicht, Uhu) bejagt. Greifvögel holen sich aber nur einen kleinen Teil der Tauben und wirken kaum bestandsregulierend auf ihre Beute. Die Population der Beutegreifer wird durch die Anzahl der Tauben reguliert und nicht umgekehrt. Eine Bejagung durch Falkner ist keine Problemlösung, da die Tauben dadurch bloß zu einem Standortwechsel gezwungen werden – der Einsatz macht nur in besonderen Fällen (zB bei Krankhäusern) Sinn. |
Unterlagen / Links
D. Haag-Wackernagel (2003): Die Strassentaube: Geschichte – Probleme – Lösungen. Der Ornithologische Beobachter 100, S. 33-57
Schweizer Tierschutz: Die Strassentaube aus Sicht des Tierschutzes. STS-Merkblatt,
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Wildvogelhilfe - Stadttauben-Spezial:
www.wildvogelhilfe.org/sonderbeitraege/stadttauben/ taubenspecial.html
S. Meyer (2010): Stichwort Taubenabwehr. öko-forum Stadt Luzern, 15 S.,
Download pdf (1.305 kb)
M. Keller & creadrom (2010): Stichwort Altes Brot. öko-forum Stadt Luzern, 19 S.,
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Bundesarbeitsgruppe (BAG) Stadttauben (2007): Informationsmappe Teil A: Konzept zur tierschutzgerechten Regulierung der
Stadttaubenpopulation.
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Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen (1998): Loseblattsammlung zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation. Niedersächsisches Ministerium für den Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 47 S.
M. Müller (2002): Tierärztliche Begleitung bei der Umsetzung der tierschutzgerechten Bestandskontrolle von Stadttaubenpopulationen nach der Loseblattsammlung des Tierschutzbeirates des Landes Niedersachsen. Dissertation Tierärztliche Hochschule Hannover, 135 S.
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Technische Universität Darmstadt (2004): Einfluss von Taubenkot auf die Oberfläche von Baustoffen. Prüfungsbericht im Auftrag von Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner,
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D. Haag-Wackernagel (2010): Gesundheitsgefährdung durch Straßentauben. PdN BIOLOGIE in der Schule 59 (7): 26–3ß,
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