Zielartenkonzepte im Naturschutz
Schirmarten, Schlüsselarten und Leitarten
 
 
Zielartenkonzepte sind Instrumente des Naturschutzes, um ausgewählte, für eine Lebensgemeinschaft repräsentative Arten zur bewahren. Anhand der Ansprüche der Zielarten werden Schutzziele formuliert und konkrete Maßnahmen abgeleitet. Diese Ziele und Maßnahmen wirken für den gesamten Lebensraum. Damit sind Zielarten oft zugleich auch Leitarten für die zu schützenden Lebensräume, haben als Schlüsselarten eine wichtige Funktion im Ökosystem und stehen als Schirmarten für das Überleben einer ganzen Artengemeinschaft. Über ihre Populationsgröße und Bestandsentwicklung lassen sich Rückschlüsse auf den Zustand der gesamten Lebensgemeinschaft treffen.
 
 
Definitionen
 
Häufig wird der Begriff „Zielart“ gemeinsam mit Begriffen wie „Leitart“, „Indikatorart“ oder „Schlüsselart“ verwendet:
 
•   Die Begriffe Leitart, Charakterart und Kennart stehen für repräsentative, also typische und stetig vorkommende Arten eines Landschaftsausschnitts. Charakter- und Kennarten spielen unter anderem in der Vegetationskunde zur Beschreibung von Pflanzengesellschaften eine wichtige Rolle. Es gibt aber auch zahlreiche faunistische Leitarten – etwa den Feldhasen für Agrarlandschaften.
 
•   Zeigerarten oder Indikatorarten lassen bestimmte Umweltzustände erkennen und reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen. Das Konzept der ökologischen Zeigerwerte beruht auf der Indikatorwirkung von Blütenpflanzen, um Informationen über die Standortverhältnisse abzuleiten.
 
•   Schlüsselarten haben eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft, weil die beispielsweise bestimmte Lebensraumstrukturen schaffen oder als Räuber die Populationsdichte ihre Beutetiere regulieren. Das Verschwinden einer Schlüsselart hat oft dramatische Veränderungen im gesamten Ökosystem zur Folge.
 
•   Schirmarten sind Arten, deren Schutz das Überleben der ganzen Lebensgemeinschaft sichert. Sie stellen hohe Ansprüche an ihren Lebensraum, sodass mit ihrer Erhaltung das Überleben zahlreicher weiterer Arten garantiert wird.
 
•   Flagship Species (deutsch Flaggschiffarten oder besser Aushängeschildarten) sind attraktive Arten, die als Sympathieträger im Natur- und Landschaftsschutz dienen. Sie sind mit positiven Emotionen verbunden, so dass ihr Schutz kaum einer weiteren Begründung bedarf und als wünschenswert eingestuft wird. Flagship Species spielen eine große Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes.
 
•   Zielarten sind vorrangig zu schützende Arten.
 
 
Zielartenkonzepte
 
Zielartenkonzepte bewahren die Lebensgemeinschaften durch die Erhaltung und die Beobachtung von typischen Arten. Die fachlich fundierten, flexibel an die jeweilige Situation angepassten Schutzkonzepte konkretisieren die Naturschutzziele inhaltlich und räumlich. Je komplexer und vielfältiger die Schutzziele, desto umfangreicher sind auch die Zielartenlisten; eine Zielart ist nur für bestimmte Lebensraumtypen bzw ökologische Raumeinheiten als prioritär zu schützende Art geeignet. Alle Teilhabitate müssen durch geeignete, anhand nachvollziehbarer Kriterien ausgewählte Arten repräsentiert werden.
 
Generelle Voraussetzungen für Zielarten sind:
 
•   Zielarten müssen eine besondere Bedeutung für das Gebiet besitzen. Meist sind dies seltene und gefährdete Arten, für die eine hohe Schutzverantwortung besteht.
 
•   Die Art ist bzw war für die zu erhaltende Landschaft typisch und zumindest früher verbreitet. Dh das Gebiet besitzt die Voraussetzungen für das Vorkommen der Art.
 
•   Die Ursachen für die Gefährdung der Zielart müssen bekannt und durch die Veränderung der Lebensräume bedingt sein, so dass gezielte Fördermaßnahmen durch die Aufwertung des Lebensraums möglich sind.
 
•   Die Schutzmaßnahmen für die Zielart fördern den gesamten Lebensraum und schützen dadurch zahlreiche weitere Arten. Als Zielarten besonders gut geeignet sind deshalb Arten mit hohen ökologischen Ansprüchen, großem Raumbedarf oder enger Bindung an Schlüsselstrukturen.
 
•   Die Zielart sollten recht einfach zu erfassen sein, so dass ihre Bestandsentwicklung und dadurch auch die Wirkung der getroffenen Maßnahmen überprüfbar ist.

Damit Zielartenkonzepte funktionieren, ist ein umfangreiches Wissen über die Biologie und Ökologie der ausgewählten Arten notwendig. Während die Frage der Lebensraumbindung in vielen Fällen recht gut beantwortet werden kann, ergeben sich Probleme meist bei der Beurteilung der Bestandsentwicklung: Viele Arten zeigen von Natur aus Populationsschwankungen; oft ist es nahezu unmöglich, die natürliche Entwicklung von den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen zu trennen. Zielartenkonzepte können nur dann einen umfassenden Schutz der Natur gewährleisten, wenn alle wichtigen Qualitäten einer Landschaft durch geeignete Arten abgedeckt werden, die dann tatsächlich auch einen Mitnahmeeffekt für zahlreiche weitere Arten bewirken. Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Komplexität der Lebensgemeinschaften ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe. Auf jeden Fall jedoch dürfen Zielartenkonzepte nicht als starre Schemata gehandhabt werden – sie müssen regional differenziert angewendet und bei neu eintretenden Entwicklungen flexibel angepasst werden.
 
 
Unterlagen / Links
 
B. Jessel (1998): Zielarten – Leitarten – Indikatorarten. Aussagekraft und Relevanz für die praktische Naturschutzarbeit. Fachtagung 25. – 26 März 1998 in Eching bei München, Laufener Seminarbeiträge 8, Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Laufen/Salzach, 273 S.
D. Laubhann, M. Kropf, K.-G. Bernhardt (2010): Das Zielartenkonzept als Naturschutzinstrument – eine kritische Betrachtung. Natur und Landschaft 85 (2): 61-66
K. Schwerdtner Máñez Costa (2008): „Zur Umsetzung von Artenschutz“. Eine ökologisch-ökonomische Analyse. Dissertation Universität Halle-Wittenberg, 211 S., Download unter opendata.uni-halle.de
W. Zehlius-Eckert (2001): Möglichkeiten und Grenzen der repräsentativen Auswahl von Arten im Naturschutz. Dissertation Technischen Universität München, 313 S., Download pdf (6.136 kb)
Informationssystem Zielartenkonzept Baden-Württemberg (ZAK) – Planungswerkzeug zur Erstellung eines kommunalen Zielarten- und Maßnahmenkonzepts – Fauna: www2.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/abt5/ zak/
Ökologische Zeigerwerte: statedv.boku.ac.at/zeigerwerte/
 
 
letzte Änderung September 2013, © UMG
 
   

 
 
Zielartenkonzepte im Naturschutz
Schirmarten, Schlüsselarten und Leitarten
 
Zielartenkonzepte sind Instrumente des Naturschutzes, um ausgewählte, für eine Lebensgemeinschaft repräsentative Arten zur bewahren. Anhand der Ansprüche der Zielarten werden Schutzziele formuliert und konkrete Maßnahmen abgeleitet. Diese Ziele und Maßnahmen wirken für den gesamten Lebensraum. Damit sind Zielarten oft zugleich auch Leitarten für die zu schützenden Lebensräume, haben als Schlüsselarten eine wichtige Funktion im Ökosystem und stehen als Schirmarten für das Überleben einer ganzen Artengemeinschaft. Über ihre Populationsgröße und Bestandsentwicklung lassen sich Rückschlüsse auf den Zustand der gesamten Lebensgemeinschaft treffen.
 
 
Definitionen
 
Häufig wird der Begriff „Zielart“ gemeinsam mit Begriffen wie „Leitart“, „Indikatorart“ oder „Schlüsselart“ verwendet:
 
•   Die Begriffe Leitart, Charakterart und Kennart stehen für repräsentative, also typische und stetig vorkommende Arten eines Landschaftsausschnitts. Charakter- und Kennarten spielen unter anderem in der Vegetationskunde zur Beschreibung von Pflanzengesellschaften eine wichtige Rolle. Es gibt aber auch zahlreiche faunistische Leitarten – etwa den Feldhasen für Agrarlandschaften.
 
•   Zeigerarten oder Indikatorarten lassen bestimmte Umweltzustände erkennen und reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen. Das Konzept der ökologischen Zeigerwerte beruht auf der Indikatorwirkung von Blütenpflanzen, um Informationen über die Standortverhältnisse abzuleiten.
 
•   Schlüsselarten haben eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft, weil die beispielsweise bestimmte Lebensraumstrukturen schaffen oder als Räuber die Populationsdichte ihre Beutetiere regulieren. Das Verschwinden einer Schlüsselart hat oft dramatische Veränderungen im gesamten Ökosystem zur Folge.
 
•   Schirmarten sind Arten, deren Schutz das Überleben der ganzen Lebensgemeinschaft sichert. Sie stellen hohe Ansprüche an ihren Lebensraum, sodass mit ihrer Erhaltung das Überleben zahlreicher weiterer Arten garantiert wird.
 
•   Flagship Species (deutsch Flaggschiffarten oder besser Aushängeschildarten) sind attraktive Arten, die als Sympathieträger im Natur- und Landschaftsschutz dienen. Sie sind mit positiven Emotionen verbunden, so dass ihr Schutz kaum einer weiteren Begründung bedarf und als wünschenswert eingestuft wird. Flagship Species spielen eine große Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes.
 
•   Zielarten sind vorrangig zu schützende Arten.
 
 
Zielartenkonzepte
 
Zielartenkonzepte bewahren die Lebensgemeinschaften durch die Erhaltung und die Beobachtung von typischen Arten. Die fachlich fundierten, flexibel an die jeweilige Situation angepassten Schutzkonzepte konkretisieren die Naturschutzziele inhaltlich und räumlich. Je komplexer und vielfältiger die Schutzziele, desto umfangreicher sind auch die Zielartenlisten; eine Zielart ist nur für bestimmte Lebensraumtypen bzw ökologische Raumeinheiten als prioritär zu schützende Art geeignet. Alle Teilhabitate müssen durch geeignete, anhand nachvollziehbarer Kriterien ausgewählte Arten repräsentiert werden.
 
Generelle Voraussetzungen für Zielarten sind:
 
•   Zielarten müssen eine besondere Bedeutung für das Gebiet besitzen. Meist sind dies seltene und gefährdete Arten, für die eine hohe Schutzverantwortung besteht.
 
•   Die Art ist bzw war für die zu erhaltende Landschaft typisch und zumindest früher verbreitet. Dh das Gebiet besitzt die Voraussetzungen für das Vorkommen der Art.
 
•   Die Ursachen für die Gefährdung der Zielart müssen bekannt und durch die Veränderung der Lebensräume bedingt sein, so dass gezielte Fördermaßnahmen durch die Aufwertung des Lebensraums möglich sind.
 
•   Die Schutzmaßnahmen für die Zielart fördern den gesamten Lebensraum und schützen dadurch zahlreiche weitere Arten. Als Zielarten besonders gut geeignet sind deshalb Arten mit hohen ökologischen Ansprüchen, großem Raumbedarf oder enger Bindung an Schlüsselstrukturen.
 
•   Die Zielart sollten recht einfach zu erfassen sein, so dass ihre Bestandsentwicklung und dadurch auch die Wirkung der getroffenen Maßnahmen überprüfbar ist.

Damit Zielartenkonzepte funktionieren, ist ein umfangreiches Wissen über die Biologie und Ökologie der ausgewählten Arten notwendig. Während die Frage der Lebensraumbindung in vielen Fällen recht gut beantwortet werden kann, ergeben sich Probleme meist bei der Beurteilung der Bestandsentwicklung: Viele Arten zeigen von Natur aus Populationsschwankungen; oft ist es nahezu unmöglich, die natürliche Entwicklung von den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen zu trennen. Zielartenkonzepte können nur dann einen umfassenden Schutz der Natur gewährleisten, wenn alle wichtigen Qualitäten einer Landschaft durch geeignete Arten abgedeckt werden, die dann tatsächlich auch einen Mitnahmeeffekt für zahlreiche weitere Arten bewirken. Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Komplexität der Lebensgemeinschaften ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe. Auf jeden Fall jedoch dürfen Zielartenkonzepte nicht als starre Schemata gehandhabt werden – sie müssen regional differenziert angewendet und bei neu eintretenden Entwicklungen flexibel angepasst werden.
 
 
Unterlagen / Links
 
B. Jessel (1998): Zielarten – Leitarten – Indikatorarten. Aussagekraft und Relevanz für die praktische Naturschutzarbeit. Fachtagung 25. – 26 März 1998 in Eching bei München, Laufener Seminarbeiträge 8, Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Laufen/Salzach, 273 S.
D. Laubhann, M. Kropf, K.-G. Bernhardt (2010): Das Zielartenkonzept als Naturschutzinstrument – eine kritische Betrachtung. Natur und Landschaft 85 (2): 61-66
K. Schwerdtner Máñez Costa (2008): „Zur Umsetzung von Artenschutz“. Eine ökologisch-ökonomische Analyse. Dissertation Universität Halle-Wittenberg, 211 S., Download unter opendata.uni-halle.de
W. Zehlius-Eckert (2001): Möglichkeiten und Grenzen der repräsentativen Auswahl von Arten im Naturschutz. Dissertation Technischen Universität München, 313 S., Download pdf (6.136 kb)
Informationssystem Zielartenkonzept Baden-Württemberg (ZAK) – Planungswerkzeug zur Erstellung eines kommunalen Zielarten- und Maßnahmenkonzepts – Fauna: www2.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/abt5/zak/
Ökologische Zeigerwerte: statedv.boku.ac.at/zeigerwerte/  
 

 


UMG Umweltbüro Grabher | Meinradgasse 3, A-6900 Bregenz
T +43 (0)5574 65564 | F +43 (0)5574 655644
office@umg.at | www.umg.at  
 
www.naturtipps.com/zielartenkonzepte.html
Stand September 2013